Berge der Welt, Mount Ararat

Tag 5 – Aufstieg in das Hochlager am Ararat

Hallo,

Am heutigen Tage sind wir in das Hochlager in 4200 Meter Höhe aufgestiegen.

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Tag 5 – Aufstieg in das Hochlager in 4.200 m Höhe

Es ist wie verhext. Seit der Ankunft in der Türkei, regnet es jede Nacht. Heute liegen Benny und ich das erste Mal zusammen in einem Zelt.

Der Boden ist etwas uneben, was zur Folge hat, dass ich immer wieder zur rechten Seite wegrolle. Soweit eigentlich auch kein Problem, nur ich rolle immer wieder zu Bennys rechter Seite. Ich habe das Gefühl, ich hätte einen magnetischen Schlafsack. Witzig!

Mit etwas Übung gelingt es mir, mich so mit dem Schlafsack zu arrangieren, dass ich immer weniger seitwärts wegrolle – sehr zum Nachteil des Komforts beim Schlafen.

Mein Arm, der als Wegroll-Stütze fungiert, schläft immer wieder ein.

Nachts wache ich häufig auf, weil sich meine Blase meldet. Dumm nur, dass das Vorzelt auf Benny Seite liegt, und ich somit schlecht das Zelt verlassen kann. Ich bekämpfe meinen Frust bei jedem Erwachen mit einem Schluck Wasser aus meiner Trinkflasche. Meine Blase hasst mich jetzt sicherlich, aber irgendwie denke ich, dass geteiltes Leid gleich halbes Leid ist.

Ich schlafe ich dann aber doch richtig tief ein und erwache am nächsten Morgen völlig ausgeruht. Allerdings meldet sich auch zeitgleich meine Blase. Ich erlöse uns beide alsbald von der Last. Warum ich das erzähle? Ganz einfach: zuhause könnte ich das nie.

Es ist interessant, wie schnell sich der Mensch an neue Situationen anpassen kann.

Überhaupt ist Zelten eine spannende Sache. Man ist den Elementen völlig ausgeliefert.

Man lernt, pragmatisch zu den denken und arrangiert sich mit dem Zeltmitbewohner. Kompromissbereitschaft ist hier eine wichtige Voraussetzung.

Für den heutigen Tag haben die Bergführer fünf Stunden eingeplant. Es geht vom Basislager auf 3.200 m hinauf in das Hochlager in 4.200 m. Das ist für viele schon eine kritische Höhe, in der sich die ersten Symptome der Höhenkrankheit bemerkt machen.

Mal abgesehen von den Kopfschmerzen ist die Appetitlosigkeit verhängnisvoll.

Die Höhenkrankheit und die akute Höhenkrankheit können ab 2.000 m Höhe auftreten. Unabhängig von der Fitness. Leider ignorieren viele Bergsteiger aus Stolz und Dummheit diese Symptome und setzen sich damit unnötigen Gefahren aus.

Wir verlassen unser Basislager morgens bei wolkenverhangenem Himmel. Auf 3.200 m sind die Wolken schon sehr tief. Unser Weg führt uns diagonal am Berg entlang. Wir überwinden ein größeres Geröllfeld und gelangen auf einen schmalen Pfad.

Hinter uns liegt nun das Basislager, das nun kaum mehr zu erkennen ist. Die Wetterlage ist alles andere als beständig.

Beim Start entschloss ich mich für eine sichere Variante der Kleidung: eine typische wetterfeste Hose. Am Oberkörper trage ich als erste Schicht ein Funktionsunterhemd und darüber einen dünnen Pullover aus Merinowolle. Zum Abschluss kommt meine neue 3-Lagen-Funktionsjacke, die sich hier am Berg beweisen muss. Alles ist sehr leicht und im Tragekomfort genial. Auch schwitze ich in keinster Weise. Aus vergangen Touren weiß ich, wie unangenehm es ist, wenn man im eigenen „Saft“ steht.

Wir erreichen jetzt einen ausgetretenen Weg, der in Serpentinen steil den Berg hinauf führt. Ich komme mir vor wie eine Ameise. Überall am Berg krabbelt es. Heute merke ich das erste Mal, dass wir nicht alleine sind. Die paar Zelte im Basislager suggerierten Ruhe.

Bewegung kommt sowohl von oben als auch von unten.

Wir laufen ein sehr gleichmäßiges Tempo. Der Höhe entsprechend, in einem langsamen Schritt. Wir werden des Öfteren von Mulis überholt, die Gepäck ins das Hochlager bringen. Es ist immer wieder faszinierend, wie grazil und trittsicher sich die Tiere durch das Terrain bewegen. Sie laufen teils ohne Führung, wie von einer unsichtbaren Hand geführt, zielsicher den Berg hinauf.

Wir haben jetzt ca. 300 Höhenmeter gemacht. Die Wolken ziehen jetzt wie Nebelschwaden mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an uns vorbei und hüllen unser Umfeld ein. Der Blick ins Tal endet in einer weißen Suppe. Ich merke, wie die Kälte Oberhand gewinnt.

Die Wolken filtern die Sonnenstrahlen, und ich bin froh über die Wahl meiner Kleidung.

Ich fühle mich kräftig und ausgewogen. Ängste, einen „Hungerast“ zu erleiden, haben sich vollends aufgelöst.

Meine Energieriegel kommen selten bis gar nicht zum Einsatz. Das Frühstück versorgt mich ausreichend mit Energie.

Unsere Gruppe pausiert jetzt das erste Mal nach gut einer Stunde Marsch. Wir trinken Tee und essen unsere Lunchpakete. Uwe, Steffen und ich nutzen die Gelegenheit für einige Fotos von uns und der Gruppe.

Von oben kommend, nähert sich eine Gruppe aus fünf Frauen gemischten Alters. Nach der obligatorischen Begrüßung rufe ich herüber, ob Sie auf dem Gipfel waren. Sie entgegnen, dass sie abbrechen mussten.

Ich denke nicht viel darüber nach. Wir packen das!

Das kann passieren, rufe ich noch hinüber, wenn man keiner Männer in der Gruppe hat. Gelächter.

Sie antworten nur trocken, dass die Männer auf dem Gipfel sind…..

Benny hat die Zwischenzeit genutzt und eine junge Spanierin angesprochen. Ich erfahre, dass sie von ihrer Gruppe alleine gelassen worden ist, da sie das Tempo nicht halten konnte. Sie reiht sich in unsere Gruppe ein.

Sie kommt aus XXX und ist mit ihrem Bruder und vier weiteren Leuten am Berg.

Wir setzen uns wieder in Bewegung und stampfen monoton die Steigung hinauf. Bei einem weiteren kurzen Stopp für ein Foto, komme ich mit drei Russen ins Gespräch. Sie kommen aus der Nähe von Tomsk. Die kleine Gruppe besteht aus Vater und Sohn und einem Freund. Der Sohn ist gerade zehn Jahre alt. Ich bekunde ihm meinen höchsten Respekt. Er lächelt bescheiden.

Das Wetter ist nun ein wenig besser. Die Sonne lässt sich ab und an blicken. Man spürt sofort, wenn sie da ist. Die Wärme ist deutlich spürbar. Ich öffne die Entlüftung meiner Jacke, um etwas Wärme entweichen zu lassen.

Die Landschaft um mich herum ist beinahe als trostlos zu beschreiben. Es gibt kein Grün. Nur Geröll und Schotter. Trotzdem ist sie, wenn man sie im Gesamten betrachtet, unglaublich schön und vielfältig. Unmittelbar neben uns erstrecken sich gewaltige Schneefelder, die förmlich auf den Hängen kleben.

Die Luft wird immer dünner. Mein Körper spürt den Entzug von Sauerstoff. Ich wechsle meine Atemtechnik.

Ich pumpe wie ein Taucher vor seinem Apnoetauchgang.

Meine Lungen füllen sie sich wie ein Heißluftballon. Ich spüre wie sich mein Brustkork hebt. Die Luft durchströmt meine Lungenflügel.

Ich fühle mich in diesen Minuten unglaublich lebendig. Sein Körper zu belasten und auszutesten gewinnt hier neue Dimensionen.

Voller Begeisterung über meine bis hierher erbrachte Leistung, spüre ich in diesem Minuten, dass ich den Gipfel erreichen werde.

Im Hochlager angekommen, empfängt uns Jemal mit einem Snack aus Keksen, Kuchen, Dörrobst und Tee. Benny und ich beziehen unser Lager knapp unterhalb des Kochzeltes. Auf knapp 4.200 m.

Im Basislager haben wir auch einen neuen Bergführer bekommen. Er heißt XXX und ist knapp über 30. Beim Aufbau des Zeltes eilt er uns zur Hilfe und planiert mir seinem Pickel unseren Zeltplatz am Hang.

Ich blicke den Abhang hinunter, der sicherlich 60% Gefälle hat. Das Geröll liegt so lose, dass sich mit jedem Schritt etwas bewegt. Es ist echt ein Wagnis, zum Wasserlassen den Hang hinunter zu laufen.

Unser Blick aus dem Zelt ist traumhaft. Wir können direkt in das Tal blicken. Die Ausläufer des Berges verengen sich rechter und Links Hand und münden das Tal.

Unter uns blicke ich auf eine dichte Wolkendecke, die allerdings im Moment nur ein Tal erahnen lässt.

Es ist früh am Abend, als wir in das Zelt kriechen. Genaugenommen haben wir es 17.30 Uhr. Benny klagt über heftige Kopfschmerzen. Sein Gesichtsausdruck verheißt leider nichts Gutes. Wir sprechen lange und intensiv über das, was wir machen, wenn es ihm morgen nicht besser geht.

Wir beschließen, unsere Entscheidung beim Erwachen zu treffen.

Ich schlafe voller Sorge und Ungewissheit um Benny ein.

Gruß

Vadim

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